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Aktives, passives und einarmiges Hängen
Wenn Ihr es gewöhnt seid ganz entspannt abzuhängen, dann meint ihr damit sicherlich etwas anderes als Ich in diesem Blogpost. Denn hier soll es um eine der fundamentalsten Mobilityübungen überhaupt gehen, die jeder, ja wirklich jeder können sollte. Die Rede ist vom Hängen, bzw. dem active, passive und one-arm hang.
Zu allererst zur Erläuterung: ja, das Hängen ist eine absolut natürliche Form unserer Bewegung. Denn glaubt man der Wissenschaft insofern Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie nicht vollkommen daneben lag, so stammen wir vom Affen ab. Kaum jemand wird behaupten, dass Affen wenig Zeit mit den Händen über Kopf von Ast zu Ast schwingen und gelegentlich auch mal abhängen. Nun hat sich unser Körper im Laufe der Evolution zwar selbstredend weiter entwickelt und wir besitzen nicht mehr ansatzweise die Kraft in den Händen, die ein Affe besitzt, nichts desto trotz ist unser Körper nach wie vor durchaus in der Lage eine lange Zeit in einer hängenden Position zu verweilen. Fast jedes Kleinkind ist in der Lage sich auf einem Spielplatz an einem Klettergerüst zu hangeln oder sich mit den Armen über Kopf festhalten zu können.
Warum können wir dann kaum noch Hängen?
Oftmals haben wir das Hängen verlernt, weil wir kaum noch in der Überkopf-Position agieren. Nimm dir doch mal 60 Sekunden Zeit und denk darüber nach, wie oft du im Alltag deine Arme über den Kopf heben musst? Vielleicht wenn du bei der Arbeit oder Zuhause nach der Kaffeetasse im Hängeschrank greifen musst? Oder aber wenn du ein verstaubtes T-Shirt aus dem obersten Ablagefach deines Kleiderschranks holen musst? Vielleicht fallen dir noch ein paar weitere Beispiele ein, aber viele werden es nicht sein. Wenn ich dir nun aber die Frage stelle, wie viele Bewegungen du tagtäglich vor deiner Sagitalebene, also vor dir in Höhe deiner Brust oder deines Bauches durchführen, dann wirst du dutzende Beispiele finden. Vom Frühstück zubereiten auf deiner Küchenarbeitsplatte, über alle Tätigkeiten am Schreib- und Esstisch, bis hin zum Auto- und Fahrradfahren. Unser Alltag ist auf diesen Bereich ausgelegt und unserer Körper hat sich daran gewöhnt. Der Körper arbeitet bekannter Maßen nach dem Prinzip „use it or lose it“. Daher werden wir – in dieser ganz natürlichen und für Kinder scheinbar lächerlich einfach auszuführenden Position – als Erwachsener oftmals scheitern. Insbesondere wenn du täglich am Schreibtisch sitzt, sollte Hängen zu deiner täglichen Routine gehören!
Wieso sollte ich Hängen können?
Wenn wenn wir passiv Hängen, werden die oftmals verkürzten Strukturen im Rücken wie der Latissimus gedehnt, der Oberarm Knochen wird aus der dem Schultergelenk gezogen und lockert das oftmals verspannte Gewebe rund um das Schulterblatt, welches anschließend wieder freier über den Rippenbogen in die Eleveation gleiten kann. Durch die Gravitationskraft entsteht Raum in den Ellenbogen- und Handgelenken und entlastet die Strukturen. Darüber hinaus führt regelmäßiges Hängen zu einer Verbesserung der Überkopfbeweglichkeit und demzufolge zu einer effizienteren Overheadreach. Diesen brauchst du in diversen Ballsportarten über Kopf, wie Handball, Basketball, Volleyball, aber auch beim Schwimmen, Tennis oder Federball. Ferner werdet ihr bei korrekter Ausführung werdet schnell bemerken, dass eure Hände, bzw. die Griffkraft aus den Fingern und dem Unterarm, das schwächste Glied der Kette darstellen und daher sehr stark beansprucht/trainiert werden. Bei zusätzlicher Einnahme der Hollow Body Position bringt Ihr euren Körper darüber hinaus in eine gesunde Ausgangsstellung, die dem Hohlkreuz entgegenwirken kann.
Trotz der vielen Vorteile findet sich das Hängen oftmals nur bei Turnern oder Kletterern wieder. Dabei muss insbesondere der active Hang kontrolliert ausgeführt werden können, um überhaupt an die langfristig verletzungsfreie Ausführung eines Klimmzugs denken zu können. Solltet Ihr nicht genügend Kraft aufbringen können, um das Schulterblatt in die Depression bringen zu können und diese Position zu halten, riskiert Ihr eine Verletzung der Rotatorenmanschette, eine Schleimbeutelentzündung in der Schulter, oder einem Impingement Syndrom. Ich selbst hatte jahrelang Probleme mit Schulterschmerzen und einer chronisch entzündeten Bizepssehne und das Hängen hat mir sehr geholfen eine Ausgangsbasis zu schaffen, um an meiner Schulter arbeiten zu können. Der Meinung bin im übrigen nicht nur ich, sondern auch Experten in dem Bereichen der Movement Culture (u.a. Ido Portal) sowie Schulterexperten (u.a. Dr. John M. Kirsch in seinem Buch Shoulder Pain?). Dr. Kirsch geht sogar soweit zu behaupten, dass Hängen die deutlich effektivere Alternative zu einer Operation im Falle eines Schulterimpingements sei.
Du siehst also, es lohnt sich!
Video
Varianten des Hängen
Durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten des Hängen, in Form der Weite und Position des Griffes, aktiver oder passiver Ausführung, der einarmigen und zweiarmigen Variante sowie dem geraden und seitlichen Hängen, gibt es ein breites Spektrum um sich auszutoben. Hinzu kommt Variante der Vorrichtung, an der ihr hängt: Ringe unterscheiden sich hier deutlich von einer Stange.
Fangen wir bei der Weite des Griffes an: Erfahrungsgemäß ist es für Anfänger angenehmer einen weiten Griff einzunehmen. Geübte Hänger können sich aber durchaus auch die engen Variante probieren:


Ihr könnt an einer festen Klimmzugstange oder aber an Ringen hängen. Je weiter die Ringe vom Boden entfernt sind, desto mehr Spielraum für Beweglichkeit haben sie, sodass ihr hier – insbesondere bei der einarmigen Variante, dagegen halten müsst.
Für Fortgeschrittene empfehle ich das Einarmige Hängen. Dies braucht ihr ohnehin temporär, wenn ich euch beispielsweise an einem Gegenstand lang hangeln möchtet und insbesondere beim Klettern.
Der wohl wichtigste Unterschied liegt jedoch in der Stellung der Schulterblätter. Während ihr im passiven Hang eine Dehnung erzielt und die Schwerkraft die Schultern in Richtung Ohren in die Elevation ziehen lasst, müsst Ihr eine enorme Kraft aufbringen, um die Schultern in der aktiven Position in die Depression (von den Ohren weg) zu bringen. Am schönsten finde ich einen Mix aus beiden Varianten, indem du dich vom passiven Hang in den aktiven Hang ziehst. Dies sollte im Übrigen auch die Ausgangsbewegung eines Klimmzugs darstellen! Achtung bei Hypermobilität: hier solltest du eher den aktiven Hang praktizieren.
Darüber hinaus kannst du auch seitwärts oder frontal hängen, als würdest du die Yoga-Cobra performen:
Die korrekte Ausführung
Auch wenn das Hängen eine vermeidlich einfache Übung zu sein scheint,gilt es doch einiges zu beachten.
Gehen wir mal von oben bis unten vor. Die Hände bzw. der Griff sollten so gewählt werden, dass der Ring oder die Stange mit der Mitte der Handfläche umfasst wird. Einfacher, weil weniger druckempfindlich mag Anfangs die Variante sein, mit den Fingern zu greifen, deutlich mehr Kraft übertragen und länger aushalten könnt ihr aber nur bei erster Variante:


Darüber hinaus solltet Ihr den Daumen schließen und dies als eine Art Verankerung über den Fingern:



Dabei solltet Ihr die Ellenbogen immer gestreckt lassen.
Die Schultern sollten im Passivhang locker gelassen werden und dadurch zu den Ohren gleiten und im Aktivhang angezogen werden, während Ihr eure Brustwirbelsäule in eine leichte Streckung bringt:
Dabei solltet Ihr euren unteren Rücken durch die Hollow Body Position schützen, indem Ihr mit euren gesamten Körper die Form einer Banane nachahmt-
Falls Ihr hierfür nicht benugt Kraft oder Beweglichkeit besitzen solltet, schaut euch gerne mein Video zum Thema an: Hollow Body Hold
Wie lange sollte man Hängen?
Relativ bekannt ist die 7 Minuten Hanging Challenge von Ido Portal. Darin wird empfohlen über den Tag verteilt mindestens 7 Minuten zu Hängen. Ich selbst finde dies recht ambitioniert, aber in einer Sache stimme ich überein: täglich mindestens einmal zu Hängen sollte drin sein.
Die Top 3 Ausreden:
Ich habe keine Möglichkeit irgendwo zu hängen: Dann schaffe dir bitte eine Möglichkeit. Vermutlich hat deine Behausung eine Decke. In jede Betondecke bekommst du mit Genehmigung deines Mieters eine Klimmzustange wie diese, die dir das Hängen ermöglichen sollte.

Es gibt natürlich auch Varianten für die Wandmontage:

Oder sogar für den Türrahmen:

Wenn du zu einem der fast 12 Millionen deutschen Fitnesstudiogängern gehörst, solltest du dir über eine Möglichkeit über Kopf zu hängen ohnehin keine Gedanken machen.
Selbst in der freien Natur soll es Bäume, Spielplätze, metallerine Basketballnetze usw. geben. Sei kreativ, dir wird etwas einfallen!
Ich bin zu schwer dafür: Unzweifelhaft spielt das Körpergewicht beim Hängen eine große Rolle. Ist das Hängen aufgrund dessen zu schwer für dich, kannst du die Füße leicht auf dem Boden absetzen. Das nimmt ordentlich Last aus den Schultern.
Die Hände Schmerzen: Buhu 🙂 Ja, das ist Anfangs in der Tat so, Du kannst daher natürlich Handschuhe tragen, aber ich empfehle dir dran zu bleiben. Wie bei mir wird sich langsam eine Hornhaut bilden, die dir Schutz gibt.
Sollten die ästhetischen Gründe überwiegen kannst du auch die Griffposition des ersten Bildes verwenden. Sie ist zwar deutlich ineffektiver, aber in der Regel weniger Schmerzhaft
Damit du nicht abrutscht empfehle ich Liquid Chalk, also flüssige Kreide.
Interesse geweckt?
Du hast Lust mehr über das Thema Schultergesundheit zu erfahren? Du hast vielleicht Schmerzen in Schulter oder Nacken? Oder du interessierst dich kein bisschen für das Thema Hangs und Co., aber die Themen Mobility, Bodyweight Training, Meditation & Atmung liegen die am Herzen? Dann buche doch ein persönliches Coaching: